Bittschrift von Agnes Grabnerin

Bittschrift von Agnes Grabnerin

Im Sommer 1695 wandte sich Agnes Grabnerin, eine verwitwete Mutter von vier kleinen Kindern, in einer Bittschrift („Supplik“) an den Perchtoldsdorfer Marktrat.

Damals war es üblich, dass bei Frauen ein „-in“ an den Nachnamen gehängt wurde. Sie gab an, nicht zu wissen nicht, wie sie die „„Lebensnotdurft“ für sich und die Kinder beschaffen sollte und bat daher um eine Getreideration aus dem dortigen Bürgerspital. Der Spitalmeister als Leiter des Spitals wurde daraufhin vom Marktrat angewiesen, ihr – einmalig – zwei metzenMetzen, damaliges Getreidehohlmaß (ca. 120 Liter) Getreide auszuhändigen. Die Quelle zeigt, dass Bürgerspitäler auch Bedürftige versorgen konnten, die nicht dort untergebracht waren. Eine besondere Rolle in der Supplik spielen entsprechend der damaligen Zeit Gott und die Barmherzigkeit. Die Bittstellerin appellierte an das religiöse Gewissen des Marktrates und versprach im Gegenzug zur Unterstützung, dass sie und ihre Kinder diesen in ihr Gebet einschließen werden.

Bittschrift der Agnes Grabnerin
Quelle: Marktarchiv Perchtoldsdorf, Akten, Karton 38

Transkribierter Text der Bittschrift („Supplik“):

Löb(licher) marckhtrath,

großgünstige undt hochgeehrte liebe hern etc. Einem ehrs(amen) rath unumbgenglich zu behölligen veranlasßet mich arm, betrüebte und gantz verlasßene burgerin, demnach einem ehrs(amen) rath ohnedem bekhant ist, daß der allmechtige und barmhertzige Gott meinen lieben ehewürthEhemann von dem zergenglichen und mieheseeligen leben abgefordert und mich mit 4 khleinen und unerzogenenminderjährigen khindern nebst einem grosßen schuldtenlast hinderlasßen hat, daß also ich armmes, bekhümmert und voller ellentes weib, Gott erbarms in himmel droben, anjetzo mit meinen armen khindern nicht weiß, waß ich anfangen solte, daß ich mir und innen die lebensnottorfft beyschaffen möchte.

Und wiewollen der allmechtig, güettig und par[m]bhertzig Gott und vatter alle gnaden nicht nur allein mir, sondern auch einem gantzen marckt an dem heyrichen frühelich ein so angenehm, schen und trostreiche weinfexungWeinernte gezeigt und herfürwaxen lassen, daß sofern der allmechtig und grundtgüettige Gott selbiges in unßere fesßer bescheret hette, ich mit meinen armen khindern neben andern ehrlichen leithen gar wohl hette hausßen khönen. Weillen aber ich armmes weib der gezeigten zeitlichen güetter, villeicht wegen wollverdienter straff durch verhengkhnus göttlichen zorns und gerechtigkeit, gantz beraubt worden, daß ich also anjetzo nit waiß, wohin zu khern oder wo wieder rath zu suechen seye alß bey einem löb(lichen) markhtrath etc., daß etwan Gott mit seinem heyll(igen) geist und gaben meine hochgeehrt und liebe herrn erleichten mechte, insonderheit wegen meines gottsee(ligen) lieben ehewürthEhemann, weillen er fast seithero des türckhenrumelhier Osmaneneinfall 1683 dem gewesßenGemeinwesen, hier der Markt Perchtoldsdorf beygestandten und sich unterschiedlich gebrauchen lasßen.

Alß gelangt an meine großg(ünstige), hochgehrte herrn und vätter etc. durch Gott seiner barmhertzigkeit mein düemiettiges und höchstfleisßiges bitten, ewr weiß(heit) wölle mein und meiner kinder ellent und trüebseeliges leben behertzigen und sich unßer auß angebohrner und geneigter güette und bambhertzigkeit erbarmmen und mir auß dem gemainen marckhts burgerspidahl ettliche metzenMetzen, damaliges Getreidehohlmaß thraydtGetreide nach ewr weißheit belieben großg(ünstig) anzuschaffen.

Daß wirdt der allmechtig, güettige Gott, der dan khein guethatt unbelohnet lest, umb einem löb(lichen) marckhtrath und gantzen gemainen marckht mit seinem göttlichen und reichlichen segen zeitlich und ewiglich unvergolten nit lasßen. Ich mit meinen armmen khindern wöllen auch solche an unß erwisßene gnad und parmhertzigkeit umb ewr weißheit langwiriges leben, wolfahlt, glikhlich und guett ruebigruhig regiment zu bitten in unsßerm embsigen und täglichen gebett gegen Gott nimber vergesßen. Verbleibe getrester hoffnung ein löb(licher) markhtrath alß meine liebe herrn und vätter weren sich diß unßer ellet bewegen und erwaickhen lasßen, mein bitten unabschlägig gewehren, dem ich mich in allerunterthenigen düemiettigen gehorsamb durch Gott bevelchen thue.

Eines löb(lichen) marckhtrath etc. düemiettig gehorsambe

Angnes Grabnerin, arme und gantz verlasßene burg(erin)

 

Bescheid des Marktrats auf der Rückseite (links unten):

Ein ehrs(amer) rath will der supplicantin vor dießmahl und zu kheiner consequens vom spithall zwey metzenMetzen, damaliges Getreidehohlmaß traidt verwilliget haben, welches sie von dem h(errn) spitlmaister zu empfangen haben wirdt. Actum Perchtoldstorff, den 25ten Aug(ust) 1695.