Ernährung und Mangel
Nicht alle gesellschaftlichen Gruppen haben dieselben Zugangsmöglichkeiten zum wirtschaftlichen, kulturellen oder politischen Leben. Für wirtschaftlich benachteiligte oder gesellschaftlich nicht anerkannte Personen und Gruppen ist es etwa deutlich schwieriger, Arbeit zu finden oder eine höhere Bildung zu erlangen.
Eine Form der Ungleichheit zwischen Klassen, Geschlechtern, Ethnien und anderen Gesellschaftskategorien ist der ungleiche Zugang zu Nahrungsmitteln. Nicht immer konnten und können sich Menschen ausreichend ernähren. Unter- und Mangelernährung betraf im Lauf der Geschichte vor allem unterprivilegierte Bevölkerungsgruppen, in Krisenzeiten wie Krieg und wirtschaftlicher Not sind weite Bevölkerungsschichten davon betroffen.
Gesellschaftliche Anerkennung zeigt sich auch darin, wie einfach oder schwierig es ist, den religiösen Anforderungen entsprechende Nahrungsmittel – zum Beispiel in Hinblick auf Schächtverbote – zu beschaffen.
In Europa und Österreich ist Ernährung heute oft Ausdruck von Identität und Lebensgefühl: Ernähre ich mich bio und vegan? Bevorzuge ich Hausmannskost oder internationale Küche? Aber auch heute noch sind Lebensmittel nicht für alle Menschen im selben Maße verfügbar. Hunger existiert in unserer Gesellschaft heute noch, wenngleich zumeist in versteckter Form. Soziale Ungleichheit zeigt sich auch in Ernährungspraktiken, also der Art und Weise, wie wir uns ernähren – ob wir zu hochwertigen oder möglichst günstigen Nahrungsmitteln greifen oder die Möglichkeit haben, Essenseinladungen auszusprechen.
Beispiele vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart verdeutlichen, dass Ernährung und Mangel ein kontinuierliches Phänomen unserer Gesellschaft ist.
Bedürftige Menschen können Aufnahme in einer Fürsorgeeinrichtung finden.
Die Versorgung der jüdischen Bevölkerung mit ritueller Kost kann im Verlauf des Krieges nicht immer gewährleistet werden.
Nicht genug oder nur minderwertiges Essen zu haben, gehörte zu den zentralen Erfahrungen von ökonomisch nicht privilegierten Menschen.
Zivile Zwangsarbeiter*innen erhielten in der Kriegszeit nur unzureichende Nahrung. Ihre Ernährungslage blieb auch in der Nachkriegszeit prekär.
Hunger und Mangelernährung sind in mehr oder wenig versteckter Form noch immer vorhanden.
Weiterführende Links
Forschungsverbund „Nahrung und Ungleichheit“ http://first-research.ac.at/forschungsverbund-nahrung/