Anna Prath

Anna Prath

Die ca. 16-jährige Anna Prath (geb. 1908 bei Fürstenfeld) begibt sich Mitte der 1920er Jahre mit ihrer jüngeren Cousine in Wien auf Arbeitssuche. Die Orientierung fällt den beiden jungen Mädchen zunächst schwer.

„Am ersten Tag in Wien: Man stelle sich vor, das erste Mal in einer Großstadt. Wir kamen aus dem Staunen ja gar nicht heraus. Die Frau stieg mit uns in die Tramway und erklärte und nannte uns die Straßen, in denen wir Arbeit finden würden.

Dann sagte sie: ‚Hier ist das Arbeitsamt, wo ihr euch morgen melden müsst‘.

Im nächsten Moment war die Tramway schon wieder woanders. Wir kannten uns ja überhaupt nicht aus. Unser Glück war, dass Deutsch gesprochen wurde.

Nun sagte sie: ‚Morgen müsst ihr euch allein zurecht finden. Fragt nur die Polizeimänner, die werden euch helfen‘.

Wir gingen nun in Gottes Namen los. Die Straßen bzw. Gassen, die sie uns genannt hatte, fanden wir nur mit Hilfe der Polizisten. […] So gingen wir von einer Vermittlungsstelle zur nächsten und nirgendwo gab es für uns Arbeit. Das Geld ging zur Neige und Arbeit fanden wir auch keine.“

— aus: Rosemarie Feistritzer (Hg.), Freud‘ und Leid an Lafnitz und Feistritz.
Die Lebensgeschichte der Anna Prath, geb. Hartl, Gösing am Wagram 2008, S. 63.

Die beiden Mädchen aus der Steiermark sprechen Dialekt, was in der Großstadt mit Geringschätzung bedacht wird.

„Wenn wir am Abend zu unserer Quartierfrau kamen, war eine der ersten Fragen: ‚Na – habt ihr schon Arbeit gefunden?‘

Als wir wieder nein sagten, sagte sie spitz: ‚Na ja, ihr seid halt vom Land, versteht nichts, könnt nicht einmal richtig reden.‘

Wir waren todunglücklich, denn  sie hatte uns und unseren Angehörigen vorgeschwärmt, dass es in Wien Arbeit genug gäbe und sie uns in allem behilflich sein werde.“

— aus: Rosemarie Feistritzer (Hg.), Freud‘ und Leid an Lafnitz und Feistritz.
Die Lebensgeschichte der Anna Prath, geb. Hartl, Gösing am Wagram 2008, S. 63.

Anna Prath mit Sohn Willi, ca. 1941
Quelle: Dokumentation lebensgeschichtlicher Aufzeichnungen, Institut für Wirtschafts- u. Sozialgeschichte, Universität Wien