Ernährung und Mangel heute
Hunger und Mangelernährung betreffen in Österreich, wie auch in anderen westlichen Ländern, heute zwar nicht mehr weite Teile der Bevölkerung, sind jedoch in individualisierter und mehr oder weniger versteckter Form noch immer vorhanden. Armut, chronische Erkrankungen, Obdachlosigkeit, Sucht, Scheidungen oder Haftentlassungen können dazu führen, dass sich Menschen nicht mehr ausreichend ernähren können.
Betroffene können ihre individuelle Ernährung nicht mehr planen, da sie von etwaigen Spenden und anderen Zufällen abhängig sind (z.B. spontane Einladungen von Freunden). Wenn es nicht gelingt – etwa durch Betteln – Geld für Nahrungsmittel zu lukrieren, leiden Betroffene an Hunger.
Zwar gibt es soziale Einrichtungen, die Nahrungsmittel oder Essen zur Verfügung stellen, diese werden aber meist erst dann aufgesucht, wenn alle anderen Möglichkeiten der Versorgung mit Lebensmitteln (Arbeit, Betteln, etc.) ausgeschöpft sind. Oft ist es Scham, die Menschen abhält, solche Einrichtungen zu nutzen.
In den sozialen Einrichtungen sind Nahrungsmittel wiederum nur eingeschränkt zugänglich: Meist verfügen nur größere Städte über Sozialmärkte oder Ausspeisungen, welche nur zu bestimmten Öffnungszeiten besucht werden können. Nahrungsmittel können nicht mehr ausgewählt werden – es muss genommen werden, was vorhanden ist.
Soziale Ungleichheit bei der Ernährung zeigt sich aber auch, wenn es Menschen nicht möglich ist, an
üblichen sozialen Praktiken teilzunehmen. So werden gemeinhin etwa wechselseitige Essenseinladungen zur Pflege von Beziehungen und sozialen Netzwerken genutzt. Können keine Rückeinladungen ausgesprochen werden, wird dies als unbefriedigend und beschämend erlebt. Davon betroffen sind oft armutsbetroffene Menschen, die nicht über entsprechende finanzielle Möglichkeiten oder einen repräsentativen privaten Raum verfügen.